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< Zurück zur Übersicht 28.03.2024

Ivan Pelizza: «Ich hoffte schon auf ein schlaueres Rennen…»

Er hat an den nationalen Indoor-Titelkämpfen alle überflügelt – Ivan Pelizza (23), ehemaliger Innenverteidiger beim Grasshopper Club Zürich, heute 800-m-Flügelläufer des LCZ. Im Interview lässt der zukünftige Datenanalyst sein Meisterrennen Revue passieren und verrät, welcher (Mehrkampf-)Trainer sein Lauftalent entdeckt hat.

Ivan Pelizza (Bild: athletix.ch/Ulf Schiller)

Seit deinem Titelcoup in St. Gallen sind ein paar Wochen vergangen. Wie präsent ist dein 800-m-Meisterstück noch?
Natürlich erinnere ich mich noch gut an das Rennen. Bis kurz vor dem Einlaufen wollte ich mir möglichst viele Optionen offenhalten. Dann habe ich mit Coach Julia (Stokar) und Beat (Ammann) zwei Szenarien besprochen: Entweder von Anfang an Druck machen und das Rennen von vorne gestalten – wie an der Freiluft-SM in Bellinzona – oder mich hinten einreihen, um mich aus dem Trubel rauszuhalten.

Du hast dich für Plan B entschieden.
Ja, ich blieb fast zwei Runden an zweitletzter Stelle und wollte mich erst nach 450 m vorne positionieren. Doch als mich Sven Keusch nach 350 m zu überholen versuchte, kam ich ihm zuvor und startete die erste Attacke bei Halbzeit.

Topfavorit Ramón Wipfli (STB) löste dich eine Runde vor Schluss an der Spitze ab und liess dich auch auf der Gegengerade nicht vorbei. Was ging dir in der letzten Kurve durch den Kopf?  
Ich wusste, dass ich eine Medaille holen könnte, wenn ich meine Position halten würde. Eingangs Zielgeraden spürte ich, wie Ramón nachliess und war mir sicher, dass es zu Gold reichen würde. Das setzte nochmals Extrakräfte frei.

Hand aufs Herz: Hast du nach dem souveränen Vorlauf mit dem Finalsieg gerechnet?
Nicht unbedingt, aber ich hoffte schon, dass ich ein schlaueres Rennen laufen würde als letztes Jahr. Damals machte ich taktisch fast alles falsch. In Bellinzona (Freiluft-SM) wiederum hatte ich ehrlicherweise nicht ganz die Form, um ernsthaft um den Titel mitzukämpfen.  

Ivan Pelizza jubelt vor Freiluftmeister Ramón Wipfli und Titelverteidiger Robin Oester (Bild: athletix.ch/Ulf Schiller)

Zweiter an der Freiluft-SM in Zürich, U23-Meister 2023 oder Schweizer Hallen-Meister 2024: Welcher Erfolg hat die meisten Emotionen bei dir ausgelöst?
Meine erste Aktiv-Medaille im Letzi war zwar auch speziell – weil im Heimstadion –, aber ein Titel ist schon noch schöner. Umso mehr, als er für viele unerwartet gekommen ist.  

Welchen Anteil haben deine Coachs an deiner ersten Elite-Goldmedaille?
Einen sehr grossen. Julia und Beat schreiben alle Pläne, betreuen mich und andere im Training und im Wettkampf individuell von den 800 m bis zu den 5000 m. Trotz unterschiedlicher Ziele haben wir eine tolle Stimmung in der Gruppe.

Auf der Bahn bist du ziemlich «angriffig» unterwegs, wie würdest du dich privat beschreiben?
Von Natur aus bin ich eher etwas zurückhaltend. Aber wenn ich mich in einer Gruppe wohl fühle, kann ich durchaus aufblühen. Meine Trainingskollegen würden daher wohl nicht unbedingt sagen, dass ich ein scheuer Typ bin.

Die Entwicklung von Ramón Wipfli, dem Goldmedaillengewinner der European Games und Silbermedaillengewinner der U20-Europameisterschaften, kennen wir. Was dürfen wir nächsten Sommer von dir erwarten?
Ich bin auf einem höheren Niveau als 2023 und möchte meine PB (1:49,06) sicher weiter verbessern. Ob es gleich zu einem Leistungssprung wie letztes Jahr bei Ramón kommen wird, werden wir sehen…

Das Hallen-SM-Podium mit Ramón Wipfli, Ivan Pelizza und Robin Oester (Bild: athletix.ch/Ulf Schiller)

Wie bist du eigentlich auf die 800 Meter gekommen?
Im Alter von sechs bis 19 Jahren spielte ich Fussball beim SV Seebach, bei GC (U13) und am Schluss beim FC Red Star Zürich. Dann entwickelte ich mich nicht mehr so weiter, wie ich mir das vorgestellt hatte. Da erinnerte ich mich an meinen Sportlehrer während der Sekundarschulzeit…

LCZ-Trainer Torben Schade?
Genau. Nach den Schülermeisterschaften meinte er, ich hätte Talent für die Leichtathletik, insbesondere für die 1000 Meter. Also schrieb ich ihn eines Tages an. Er vermittelte mich dann zur Mittelstreckengruppe. Ob mit oder ohne Ball: Ich hatte schon immer Spass am Laufen, nahm am Zürcher Silvesterlauf und am «schnällscht Zürihegel» teil.

Was fasziniert dich an den 800 Metern, deiner Paradedisziplin?          
Die Strecke vereint Sprint mit Ausdauer. Es ist die einzige Laufdisziplin, wo man in einer eigenen Bahn startet und sich nachher im Feld behaupten muss. Alles geht so schnell und trotzdem muss man stets aufmerksam bleiben. Dieses taktische Element, gepaart mit der Geschwindigkeit, gefällt mir.

Wie oft trainierst du pro Woche?
In der Regel neun Einheiten, davon fünf mit der LCZ-Gruppe und vier allein im Kraftraum oder in Form von Dauerläufen. Im Winter kommen um die 80 Kilometer zusammen, im Sommer ein paar weniger.  

Verschiedene Trainingsgruppen von 400 m (Hürden) bis 1500 m: Filippo Moggi, Martijn Meijer, Elia Triaca, Laurent Salzgeber, Ivan Pelizza (Bild: athletix.ch)

Deine Lieblingseinheit?
300er oder 800-m-spezifische Trainings wie zwei Mal zwei Mal 400 m in 51/52 Sekunden. Fünfminütige Schwellenläufe hingegen habe ich früher nicht so gern gemacht. Nun merke ich aber, wie wichtig sie sind.

Von der Mittelstreckengruppe sieht man dich wohl am häufigsten im Kraftraum. Eitelkeit oder Notwendigkeit?
Ich denke schon, dass das Krafttraining als 800-m-Läufer unentbehrlich ist. In meinem Fall vielleicht noch mehr, weil ich von einer anderen Sportart komme. Im Krafttraining geht es für mich allerdings eher darum, Defizite im Rumpf und bei der Stabilität auszugleichen, als schwere Gewichte zu stemmen.  

Wo siehst du das grösste Potenzial?
Wohl am ehesten darin, im Wettkampf meine maximale Leistung abzurufen. Bislang habe ich das nicht geschafft. St. Gallen war ein taktisches Rennen. Jetzt will ich auch mal eine schnelle Zeit auf die Bahn bringen.

Vor einem halben Jahr bist du erstmals auf Instagram aufgetaucht. Bereust du es?
Eigentlich nicht. Es ist cool zu sehen, was die Kollegen so machen. Früher holte ich mir die Inspirationen auf Youtube, heute auf diesem Kanal.  

Ivan Pelizza im Vorlauf der Freiluft-SM in Bellinzona (athletix.ch)

Deine grösste Inspiration?
Als Fussballer mit kamerunischen Wurzeln habe ich immer für den FC Barcelona mit Samuel Eto’o geschwärmt. In der Leichtathletik hat mich David Rudishas Olympiasieg 2012 in London am meisten beeindruckt. Heute gefällt mir der Laufstil von Weltmeister Marco Arop.   

Du studierst im zweiten Semester «Data Science» an der Fachhochschule Winterthur. Ab wann stehst du dem LCZ im Leistungssportbereich als Datenanalyst zur Verfügung?
Kommt drauf an, welche Daten der LCZ generieren und was er damit machen will. Mein Studium dauert noch zwei Jahre, ich weiss jedoch noch nicht, in welche Richtung es danach gehen wird. Aber warum nicht in den Sport?

Welche Ziele/Träume verfolgst du selbst als Athlet?
In den Nachwuchskategorien war ich leider noch nicht «richtig» dabei, aber es wäre schön, wenn ich die Schweiz einmal an einem internationalen Grossanlass vertreten könnte.  

Und wann wechselst du – wie Elia Triaca – auf die 1500 m?
Elia habe ich immer als 1500-m- und nie als 800-m-Läufer gesehen (lacht). Ich denke, ich bleibe bei den 800 Metern. Jedenfalls will ich zuerst eine «anständige» Zeit stehen haben, bevor ich mich mit den 1500 m beschäftige. Mal schauen, ob und wie schnell ich eine 1:47 erreiche…

Die Trainings- und Vereinskollegen Ivan Pelizza und Elia Triaca im Gleichschritt beim CITIUS-Meeting in Bern (Bild: athletix.ch)