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< Zurück zur Übersicht 18.06.2024

Europameisterin: Angelica Moser: «Der Olympiafinal bleibt das Hauptziel»

Die 26-jährige Stabkönigin Angelica Moser hat sich in Rom zur ersten Schweizer Leichtathletik-Europameisterin in einer technischen Disziplin gekürt. Nach sieben Goldmedaillen an internationalen Nachwuchsgrossanlässen, dem Hallen-EM-Titel 2021 und Gold an den World University Games 2023 feierte die Himmelstürmerin des LC Zürich ihren bisher grössten Erfolg – und wird auch in Zukunft «nicht stillstehen».   

Europameisterin Angelica Moser begutachtet ihre zehnte Goldmedaille (athletix.ch)

Ganz herzliche Gratulation zu deiner nunmehr zehnten internationalen Goldmedaille. Hast du eigentlich etwas gegen Bronze und Silber?
Man könnte es fast meinen. An der EM in München 2022 war ich Vierte, ebenso an den letzten beiden Hallen-Weltmeisterschaften. Von daher gleichen sich die Goldmedaillen und «Ledermedaillen» wohl wieder aus…

Im Römer EM-Final hast du auf der Einstiegshöhe von 4,43 m zweimal gerissen und standst kurz vor dem Aus. Was ging dir vor dem dritten und entscheidenden Versuch durch den Kopf?
Zuerst «Sorry», dass ich die Nerven meines Trainers (Adrian Rothenbühler) und vieler Fans im Stadion und am Bildschirm strapaziert habe. Solche Situationen sind natürlich unangenehm für alle Beteiligten. Als Athletin versucht man grundsätzlich, sich auf den nächsten Sprung zu fokussieren und auszublenden, dass es der letzte an diesem Abend sein könnte. Das ist mir zum Glück gelungen.

Coach Adrian Rothenbühler gratuliert der «Miss Championship» (Bild: athletix.ch)

Und wie: Du hast nicht nur die 4,43 m, sondern auch die 4,58 m respektive 4,68 m gemeistert und obendrauf den Schweizer Freiluftrekord deiner Ex-Klubkollegin Nicole Büchler (4,78 m) eingestellt. War der Goldsprung dein bisher bester oder trauerst du den ungültigen 4,83 m ein wenig nach?
Im EM-Final war der PB-Sprung auf 4,78 m auch der beste, aber ich bin technisch tatsächlich schon sauberer gesprungen. In den Wettkämpfen davor hatte ich einige Sprünge, die noch mehr versprachen, was mir wiederum Zuversicht für den weiteren Verlauf gibt. Die Saison ist ja noch jung…  

Wie haben Hallen-Weltmeisterin Molly Caudery sowie die zweifache Europameisterin und Olympiasiegerin Katerina Stefanidi auf deinen «Poker» bei 4,73 m reagiert?
Die waren nicht wirklich überrascht. Im Stabhochsprung ist es üblich, dass man eine Höhe auslässt, wenn man sich rangmässig nicht mehr verbessern kann. Mit gültigen 4,68 m hatte ich Bronze auf sicher. Nachdem die beiden die 4,73 m geschafft hatten, entschied ich zusammen mit meinem Coach, stattdessen die 4,78 m in Angriff zu nehmen. Die Taktik ging auf.  

Katerini Stefanidi (GRE), Angelica Moser (SUI/LCZ), Molly Caudery (GBR)

Du springst aktuell so konstant hoch wie noch nie. Was ist der Schlüssel?  
Ich konnte zuletzt sehr gut trainieren, fühle mich fit und sicher, wenn ich springe. Das Selbstvertrauen, das mir in den letzten ein, zwei Jahre vielleicht ein bisschen gefehlt hat, ist zurück. Überdies macht mir das Springen wieder unglaublich viel Freude, egal, ob im Training oder im Wettkampf. Das ist sicherlich der entscheidende Faktor.    

Du bist erst die dritte Schweizer Outdoor-Europameisterin nach Lea Sprunger (400 m Hürden) und Mujinga Kambundji (200 m). Gab es schon Gratulationen von deinen früheren und aktuellen Teamkolleginnen?
Natürlich. Lea und Mujinga waren ja beide vor Ort (Lea als Kommentatorin des RTS und Mujinga als erfolgreiche Titelverteidigerin). Überhaupt war der Zusammenhalt innerhalb des Schweizer Teams sehr gross. Man unterstützt sich gegenseitig, fiebert mit den anderen mit. Auch ist es ungemein schön, zu sehen, wie die Entwicklung in der Schweizer Leichtathletik weitergeht. Die Jüngeren – viele wie ich gross geworden mit dem UBS Kids Cup – rücken nach und heizen uns Arrivierteren ein.

Nur eine Stunde nach dir gewannen Timothé Mumenthaler (Stade Genève) und William Reais (LC Zürich) Gold und Bronze über 200 m. Wie habt ihr den historischen Abend gefeiert?
Wir verbrachten einige Zeit bei der Dopingkontrolle. Trotzdem haben etliche Schweizer Fans vor dem Stadion ausgeharrt, um uns einen spätmitternächtlichen Empfang zu bereiten. Gemeinsam assen wir noch eine Pizza, bevor es zurück ins Teamhotel und ins Bett ging.  

Zwischen Qualifikation und Final warst du zu Besuch im Vatikan bei der päpstlichen Schweizer Garde. Hast du dir noch himmlischen Beistand geholt oder wolltest du als Zeitmilitär-Spitzensportlerin mal bei den Kollegen schnuppern?
Weder noch. Mein Freund und unsere Eltern haben diese Tour gemacht. Ich dachte mir, wenn ich den ganzen Tag im Hotel sitze, fällt mir irgendwann die Decke auf den Kopf. Also machte ich mich auf den Weg, um die Familie noch kurz sehen und mit ihnen etwas zu trinken.

Angelica mit Vater Severin Moser, Partner Kevin Bozon, Schwester Jasmin und Mutter Monika Moser anlässlich der Ehrung in Andelfingen ZH (Bild: athletix.ch)

Käme denn ein Dienst in der Schweizer Garde für dich in Frage, sofern auch Spitzensport-RS-Absolventinnen zugelassen wären?
Eher nicht. Ich bin ein ausgesprochener Bewegungsmensch und könnte wohl keine zwei Stunden stillstehen und Wache halten. (lacht)

Ende Mai hast du in Marrakesch deinen ersten Sieg in der Wanda Diamond League gefeiert. Wann sehen wir dich bei Weltklasse Zürich auf dem Podest landen?  
Natürlich hoffe ich, dass es nach Platz vier im Vorjahr endlich auch beim Heimmeeting aufs Diamond-League-Podest reicht. Am 4. September springen wir wieder im Hauptbahnhof vor einer einzigartigen Kulisse. Die Fans sind so nah dran wie sonst nie. Das macht es für uns Stabhochspringerin speziell – für mich als Zürcherin noch mehr, weil unzählige Freunde und Bekannte in den HB strömen werden.

Vorher reist du als frisch gebackene Europameisterin an die Olympischen Spiele nach Paris. Druck oder zusätzliche Motivation?
Definitiv zusätzliche Motivation. Der Wettkampf in Rom gab mir sehr viel Selbstvertrauen. Ich weiss, dass ich hoch springen kann. Klar, mit 4,78 m gewinnt man keine Olympiamedaille, aber zumindest der Final und vielleicht ein Diplom sollten mit einer solchen Höhe drin liegen.

Angelica Moser blickt bereits auf das nächste Grossereignis (Bild: Ulf Schiller / athletix.ch)

Als nationale UBS Kids Cup-Siegerin hast du mal gesagt, 2016 möchtest du bei Olympia dabei sein, 2020 im Final stehen und 2024 um die Medaillen kämpfen. Gilt der Plan noch?
In Tokio, was ja um ein Jahr verschoben wurde, hat es nicht geklappt mit dem Final. Insofern bin ich etwas hinter dem ursprünglichen Plan zurück. Der Olympiafinal bleibt in Paris das Hauptziel. Momentan liegen im Frauenstabhochsprung alle nahe beisammen. Es ist vieles möglich. Man kann genauso Zwölfte werden wie Dritte. Ich versuche meine Hausaufgaben zu machen und mich in den nächsten Wettkämpfen weiter zu steigern.

Wie sieht die letzte Etappe auf deiner «Road to Paris» aus?
Ich stecke bereits wieder im Training. Am 28./29. Juni finden die Schweizer Meisterschaften vor meiner Haustür in Winterthur statt. Im Vorfeld halte ich gemeinsam mit anderen Swiss Startern ein Swiss Athletics Kids Training auf dem Deutweg ab. Schliesslich soll in ein paar Jahren die nächste Generation für Sternstunden sorgen. Danach folgen drei weitere internationale Wettkämpfe, ehe wir Ende Juli die Koffer und Stäbe für Paris packen.

Deiner Medienpräsenz im «Quotidien Jurassien» nach zu schliessen, gehört ein Teil deiner EM-Goldmedaille auch deinem Wahl-Kanton, dem Jura. Wie viel Andelfingen, Wyland und Zürich stecken noch in der Europameisterin?
Schon sehr viel. (lacht) Meine Muttersprache bleibt Schweizerdeutsch, auch wenn ich mit meinem Freund (dem französischen Hockeyprofi Kevin Bozon) in der Regel Französisch spreche. Ich bin immer noch Andelfingerin durch und durch, verbringe praktisch jedes freie Wochenende in der Heimat. Meine Familie und die meisten meiner Freunde sind hier zu Hause. Auch mein Kinderzimmer bei den Eltern werde ich vorerst behalten…

500 Fans und Supporter lauschen der Europameisterin in ihrer Heimatgemeinde (Bild: Ulf Schiller / athletix.ch)

(MAS)