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«Die Schweizer Pünktlichkeit habe ich verinnerlicht» – Interview mit Coach Patrick Sang
Patrick Sang war der erste ostafrikanische Läufer, der von Weltklasse Zürich und dessen Trägerverein (VfG) unterstützt wurde. Von 1991 bis 1998 vertrat der kenianische WM- und Olympia-Silbermedaillengewinner den Leichtathletik-Club Zürich an nationalen und internationalen Wettkämpfen. Noch heute ist der Weltklasse-Coach – unter anderem von Eliud Kipchoge und und Faith Kipyegon – voll des Lobes ob seiner zweiten sportlichen Heimat.
*Interview: Manuel Stocker
Patrick, einen Teil deiner Aktivzeit hast du in der Schweiz verbracht. Wie kam es zu dieser «Swiss Connection»?
An einem Leichtathletik-Meeting lernte ich Cornelia Bürki kennen. Sie stammt ja aus Südafrika, bevor sie mit ihrem Mann nach Rapperswil zog und als Schweizer Läuferin grosse Erfolge feierte. Afrika und und der Laufsport – das hat uns verbunden. Irgendwann fragte sie mich, ob sie mich jemanden vorstellen dürfe. Dieser Jemand war Andreas «Res» Brügger (der legendäre Meetingpatron von Weltklasse Zürich – MAS).
Es soll ein langes Mittagessen in Zürich gegeben haben…
Ja, Res hat uns in ein gediegenes Restaurant eingeladen. Als Student war ich mir maximal ein Dreigang-Menü gewohnt, aber dieses Essen dauerte fünf oder acht Gänge. Während des Gesprächs fragte mich Res, was ich vorhatte, jetzt, da ich mein Studium in den USA beendet hatte.
Was hast du geantwortet?
Dass ich noch ein paar Rennen bestreiten wolle, bevor ich nach Afrika zurückkehre, in der Absicht, mir dort einen Job zu suchen. Res meinte: «Wenn du möchtest, können wir dir helfen. Du kannst für unseren Klub starten und wir werden dich bestmöglich unterstützen.» Natürlich habe ich sofort zugesagt – und bin bis heute stolzes Ehrenmitglied des Vereins (für Grossveranstaltungen des LCZ).
Welches Rennen für den LC Zürich ist dir in besonderer Erinnerung geblieben?
Das denkwürdigste war Weltklasse Zürich 1998, mein letztes Rennen auf der Bahn. Mein ehemaliger Trainer, der mir ermöglicht hatte, in den Staaten zu studieren, reiste eigens aus Übersee an, um mich laufen zu sehen. Ich erinnere mich noch, wie er danach die Tribüne im alten Letzigrund runtergerannt kam, aufgeregt und voller Stolz. Er wusste in diesem Moment, dass er meinem Lebenslauf eine andere Richtung gegeben hatte und dass ich jetzt abermals eine neue «Abzweigung» nehmen würde.
Inwiefern haben dich die sieben Jahre in der Schweiz geprägt?
In vielerlei Hinsicht. In der Schweiz habe ich neue Werte gelernt und verankert. Den Umgang mit anderen Menschen beispielsweise, mit Geld, mit der Zeit. Noch heute bin ich stets zehn Minuten zu früh im Training (lacht). Die Schweizer Pünktlichkeit habe ich verinnerlicht. Ebenso den Perfektionismus. Auch hatte ich die Gelegenheit, mich mit Führungspersönlichkeiten in verschiedenen Wirtschaftsbereichen auszutauschen. Wenn etwas bewegen will, muss man von den Besten lernen. Ich erhielt Einblicke in die Organisation des Meetings, die Planung der Ressourcen, die Erstellung der Budgets, aber auch in die Nachwuchsarbeit des Klubs. Manchmal braucht es Geduld, bis etwas Früchte trägt. All diese Erkenntnisse habe ich mit nach Hause genommen.
Welche Verbindung hast du noch zur Schweiz?
Ich pflege weiterhin Kontakt zu einigen LCZ-Mitgliedern. Zu Cornelia Bürki, zu Andreas Hediger (dem früheren Geschäftsführer und heutigen Co-Meeting-Direktor von Weltklasse Zürich) und anderen ehemaligen Athleten wie Philippe Bandi (heute Sport-Kommentator, Speaker und Moderator). Und ja: Dank Res Brügger besitze ich eine kleine Pension in der Schweiz. Er und Schatzmeister Jörg Fuchs haben mir gezeigt, wie man mit den Finanzen umgeht. Dieses Wissen versuchte ich später auch meinen Athleten zu vermitteln. Allerdings ist es in meiner Kultur sehr viel schwieriger, jemandem beizubringen, sein Geld für morgen auf die Seite zu legen, wenn die Familie oder der Nachbar die Unterstützung schon heute braucht.
*Das ganze Gespräch mit Patrick Sang gibt es in der aktuellen Ausgabe (3/2024) des Schweizer Sportmagazins «FIT for LIFE»
Bilder: NN Running Team (Kenia), Weltklasse Zürich (Reg Brügger), Dieter Baumgartner (SVM-Final 1998), Manuel Stocker (Greifenseelauf 1999)
Patrick Sang (geb. am 11. April 1964)
Grösste Erfolge als Athlet
1985 Silbermedaillengewinner der NCAA-Championships in Austin
1987 Goldmedaillengewinner an den Afrikaspielen in Nairobi
1987 WM-Achter in Rom
1998 Olympia-Siebter in Seoul
1989 Goldmedaillengewinner an der Universiade in Duisburg
1991 WM-Silbermedaillengewinner in Tokio
1992 Olympia-Silbermedaillengewinner in Barcelona
1993 WM-Silbermedaillengewinner in Stuttgart
1993 Sieger des Grand Prix Finals in London
1992 bis 1998: Aktiv-Mitglied des Leichtathletik-Clubs Zürich
1989 bis 1998 4-mal Zweiter bei Weltklasse Zürich
1999 Marathondebüt und Sieger des internationalen Greifenseelaufs
Persönliche Bestzeiten
3000 m Steeple: 8:03,41 (1997 in Köln)
3000 m: 7:44,13 (1997 in Bellinzona)
5000 m: 13:32,86 (1997 in Kerkrade)
Halbmarathon: 1:01:02 (1999 in Den Haag)
Marathon: 2:14:03 (1999 in Amsterdam)
Grösste Erfolge als Coach von Eliud Kipchoge (ab 2002)
2003 U20-Cross-WM-Gold in Lausanne/Avenches
2003 WM-Gold 5000 m in Paris mit U20-Weltrekord m (12:52,79)
2004 Cross-WM-Silber in Brüssel
2004 Olympia-Bronze 5000 m in Athen
2006 Hallen-WM-Bronze 3000 m in Moskau
2007 WM-Silber 5000 m in Daegu
2008 Olympia-Silber 5000 m in Beijing
2010 Silber an den Common Wealth Games in Neu-Delhi
2013 bis 2024: 11 World Marathon Majors-Siege (5 x Berlin, 4 x London, 1 x Tokio, 1 x Chicago)
2016 Olympia-Gold in Rio de Janeiro
2021 Olympia-Gold in Tokio
Zwei offizielle Weltrekorde in Berlin 2018 (2:01:39) und 2022 (2:01:09)
Erster Sub-2-Marathon unter Laborbedingungen in Wien 2019 (1:59:41)
Grösste Erfolge als Coach von Faith Kipyegon (ab 2020)
2021 Olympia-Gold in Tokio WM 1500 m
2022 WM-Gold 1500 m in Eugene
2023 WM-Gold 1500 m/1500 m in Eugene
Drei Weltrekorde in Florenz (3:49,11/1500 m), Paris (14:05,20/5000 m) und Monaco (4:07,64/Meile) 2023